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Heatle von BrandBrandNew: Werden induktive Tauchsieder die neuen Wasserkocher?

Heatle mit Mädchen und heisser Schokolade

Für die meisten unbemerkt ist Ende 2021 – just zur Weihnachtszeit – ein neuer, auf den ersten Blick recht außergewöhnlicher Stern am Wasserkocher-Himmel erschienen. Seine Entdecker tauften ihn auf den eingängigen Namen „Heatle“ [hiːtl̩], was man frei, aber in diesem Fall durchaus passend mit „Heißmacher“ übersetzen könnte. Der „induktive Tauchsieder“, so die technisch korrekte Bezeichnung, soll dem altehrwürdigen Tauchsieder ein Revival verschaffen. Und er könnte die Welt der Wasserkocher, Eierkocher, Fläschchenwärmer und Sous-Vide-Sticks kräftig durcheinanderwirbeln. Hinter der Innovation steht das StartupBrandBrandNewaus Berlin, das den smarten Heizstab als „weltweit ersten induktiven Tauchsieder“ ins Rennen schickt.

Was kann der induktive Tauchsieder Heatle?

Heatle mit Basisstation
Kompakt und stylisch: Der induktive Tauchsieder “Heatle” von BrandBrandNew.

Man nehme ein spezielles Miniatur-Induktionsfeld – nein, ein gewöhnliches Induktionsfeld vom Küchenherd funktioniert leider nicht – eine beliebige Kanne, Tasse, Schüssel oder ein anderes Gefäß aus Glas, Keramik, Porzellan oder hitzebeständigem Kunststoff (aber bitte nicht aus Metall!), befülle es mit Wasser, Milch, Kakao, Glühwein, Brühe oder einer anderen Flüssigkeit, stelle die magnetische Heizscheibe des Heatle inklusive isoliertem Metallstab in das Gefäß und los geht’s. Bis zu 1,5 Liter Flüssigkeit lassen sich per Induktion erwärmen. Laut Herstellerangaben dauert es rund 3-5 Minuten, bis 1 Liter Wasser kocht. Das entspricht ungefähr der Zeit, die ein Wasserkocher mit mittlerer Leistung für die gleiche Menge Wasser benötigt. Steuern lässt sich der Heatle wahlweise über einen hölzernen Drehknopf an der Basis oder per App mit dem Smartphone. Über beide Wege lässt sich eine beliebige Wunschtemperatur einstellen, bei der der induktive Tauchsieder automatisch abschaltet. Eine automatische Startzeit hingegen lässt sich aus Sicherheitsgründen nicht programmieren: Der Start des Heizvorgangs muss immer an der Basis bestätigt werden.

Wie funktioniert ein induktiver Tauchsieder?

Drei Einsatzmöglichkeiten des Heatle
Der induktive Tauchsieder “Heatle” lässt sich vielfältig einsetzen.

Um die Flüssigkeit zu erhitzen, nutzt der induktive Tauchsieder das vom stromsparenden Induktionskochfeld bekannte Prinzip der elektromagnetischen Induktion: Im Miniatur-Kochfeld erzeugen flache Induktionsspulen aus Kupfer ein elektromagnetisches Feld, sobald die Heizscheibe aus Metall darauf platziert wird. Theoretisch passiert also das gleiche wie beim Induktionsherd, wenn ein induktionsgeeigneter Topf darauf gestellt wird. Der „Topf“ besteht beim induktiven Tauchsieder aus einem beinahe x-beliebigen Gefäß, in das die Heizscheibe als zweiter „Boden“ gelegt wird. So weit, so einfach.

Dass zwischen Theorie und Praxis mitunter eine enorme Lücke klafft, mussten andere findige Köpfe in der Vergangenheit bereits schmerzhaft erfahren. Ganz neu ist die Idee des induktiven Tauchsieders nämlich nicht und manch ein Investor hat sich daran bereits schmerzlich die Finger verbrannt. Die Herausforderung: Im Gegensatz zu einem gefüllten Topf, der sicher und schwer auf dem Induktionsfeld steht, geraten Metallscheiben in Flüssigkeiten beim Kochvorgang ins Schweben, ähnlich wie ein Luftkissenboot. In der Folge beginnt der dazugehörige Stab zu trudeln und zu kippeln bis im ungünstigsten Fall die komplette Tasse mit der heißen Flüssigkeit umstürzt.

Wo andere aufgeben mussten, haben die Kreativlinge von BrandBrandNew nicht locker gelassen und vier Jahre lang (!) eine praxistaugliche Lösung entwickelt. Mehrere patentierte, technische Kniffe gewährleisten heute, dass der Heatle sicher betrieben werden kann: Ein Magnet in der Heizscheibe stabilisiert die Scheibe am Boden, und spezielle Induktionsspulen im Kochfeld sorgen dafür, dass der Heizvorgang nicht nur zentrisch erfolgt. Damit ist sichergestellt, dass der Stab nicht umstürzt, wenngleich er sich beim Kochvorgang dennoch leicht bewegt. Der batterielose Stab dient nicht nur dem Handling, sondern erfasst zugleich die Temperatur der Flüssigkeit. Via Bluetooth ist eine Kommunikation mit der Basis sichergestellt.

Ist der induktive Tauchsieder umweltfreundlich?

Heatle zur Teezubereitung
Über den Drehknopf oder per App lässt sich die gewünschte Wassertemperatur beim Heatle präzise einstellen.

Wie viele Unternehmen setzt auch die Berliner Innovationsschmiede ihren Heatle aufs Nachhaltigkeitspferd. Zwei zentrale Argumente werden hierfür ins Feld geführt: Der Heatle erhitze immer nur exakt die Menge Flüssigkeit, die auch gebraucht wird und er könne allerhand andere elektrische Küchengeräte zum Erwärmen und Kochen von Wasser und anderen Flüssigkeiten ersetzen. Unterm Strich spare der smarte Tauchsieder also Energie und Zeit, und er reduziere den Elektroschrott. Die Argumente sind eingängig: Ähnlich wie Kleinmengenanzeigen in Wasserkochern zum nachteilsfreien Umweltschonen anregen, macht der induktive Wasserkocher Schluss mit dem gedankenlosen „Zuviel“ in der Küche, ohne dass für Nutzerinnen und Nutzer ein Schmerz damit verbunden ist. Für Küchen-Newcomer fällt auch das Elektroschrott-Argument ins Gewicht, sofern sie ihrer Konsumlaune Einhalt gebieten und auf die Anschaffung der anderen Geräte verzichten. Anders hingegen sieht es bei älteren Semestern aus, bei denen all die elektrischen Küchenhelfer bereits ihren Dienst verrichten: Hier ist der Heatle doch eher ein zusätzliches Elektrogerät, es sei denn man/frau führt die anderen Elektrogeräte ökologisch sinnvoll dem Secondhand-Markt zu.

Ist der induktive Tauchsieder ein plastikfreier Wasserkocher?

Wer auf der Suche nach einem plastikfreien Wasserkocher immer wieder daran gescheitert ist, dass selbst bei Edelstahl- oder Glas-Wasserkochern das heiße Wasser meist mit Kunststoff in Berührung kommt, der sollte einen genaueren Blick auf den induktiven Wasserkocher werfen. Da ausschließlich die Heizscheibe aus Metall und der daran befindliche Metallstab unmittelbaren Kontakt mit dem Wasser hat, kann der Heatle, ähnlich wie ein Tauchsieder im weiten Sinn als plastikfreier Wasserkocher eingestuft werden.

Welche Schwächen hat der Heatle?

Die auffälligste Schwäche des Heatle ist sicherlich der Aspekt der Sicherheit. Zwar ist es attraktiv, mit anzusehen, wie der Heatle im Teeglas seinen Dienst verrichtet, doch die Hände von Kindern oder verschlafenen Morgenmuffeln sollten dabei stets in sicherer Entfernung bleiben. Zu groß ist das Risiko, dass eine unbedachte Bewegung oder kindliche Neugierde das Gefäß mit der heißen Flüssigkeit umstürzen lässt. Es macht also Sinn, den Heatle ähnlich sorgsam zu nutzen, wie einen Elektroherd oder einen gewöhnlichen Wasserkocher.

Da die Heizscheibe mindestens so heiß wird wie die Flüssigkeit, sollte sie nach dem Kochvorgang ebenfalls in sicherer Umgebung abkühlen. Dank Magnetismus kann sie an entsprechenden Metallflächen möglichst außerhalb der Reichweite von Kindern angeheftet werden. Im Standard-Set ist außerdem ein „Single-Tray“ als Ablage enthalten. Spülen lässt sich die Heizscheibe von Hand oder in der Spülmaschine. Beim Stab hingegen ist ausschließlich Handwäsche angesagt, denn in seinem inneren steckt die erforderliche Elektronik.

Damit das elektromagnetische Feld die Heizscheibe erhitzt, muss die Scheibe – anders als bei  gewöhnlichen Tauchsiedern – möglichst nah am Gefäßboden platziert werden. Sie muss also auf der einen Seite klein genug sein, um in eine Tasse oder ein Babyfläschchen zu passen, auf der anderen Seite aber groß genug, um ausreichend Tempo beim Kochvorgang zu machen. Genau hier liegt auch ein Schwachpunkt. Wer unterschiedlich große Gefäße mit unterschiedlichen Füllmengen effizient nutzen will, benötigt mehrere Heizscheiben in unterschiedlichen Durchmessern. Neben der Standardgröße mit einem Durchmesser von 45 mm gibt es eine größere und eine kleinere Scheiben, die als Zubehör erworben werden können. Für Power-User hält das Zubehörprogramm außerdem ein „Triple Tray“ bereit, das unterschiedliche Heizscheibendurchmesser und den Stab aufnehmen kann. Womit wir bei einer weiteren Schwäche wären: dem Preis. Für den zugegebenermaßen stylischen Heatle werden in der Standardausstattung 249,- Euro aufgerufen. Das Gadget spricht also vor allem Technikfans, Küchenenthusiasten und Trendsetter an, weniger Normalos, die mit ihrem Budget haushalten müssen. Auch als stylisches Geschenk für besondere Anlässe könnte der Heatle seinen Markt finden. Den klassischen Wasserkocher hingegen wird er zum aktuellen Preis eher nicht vom Markt verdrängen.

Heatle mit Babyfläschchen
Der Heatle ist eine Alternative zum klassischen Fläschchenwärmer.

Wo kann man den Heatle kaufen?

Eine erste kleinere Charge wurde Ende 2021 an Early-Bird-Tekkies verschickt, die den induktiven Tauchsieder im vergangenen Jahr vorbestellt hatten. Nach Angaben von BrandBrandNew stehen aktuell noch knapp 10.000 Menschen in der Warteschlange. Aufgrund von Lieferengpässen bei der Elektronik vertreibt BrandBrandNew den Heatle auch weiterhin ausschließlich per Vorbestellungen über die Heatle-Website. 2022 sollen die Kapazitäten hochgefahren werden, sofern Corona und die weltweiten Engpässe bei Komponenten keinen Strich durch die Rechnung machen. Zudem ist geplant, weitere Vertriebskanäle zu erschließen und Kooperationen mit anderen Herstellern einzugehen.

Heatle mit Teekanne
Auch Porzellan- und Keramikgefäße sind mit dem Heatle nutzbar.

Vorteile des Heatle:

  • Es wird nur die Flüssigkeitsmenge erhitzt, die auch benötigt wird.
  • Der induktive Tauchsieder ist Wasserkocher, Eierkocher, Fläschchenwärmer und Sous-Vide-Stick in einem.
  • Die gewünschte Temperatur lässt sich präzise einstellen und entspricht der tatsächlichen Temperatur in der Tasse.
  • Die erhitzte Flüssigkeit kommt nicht mit Kunststoffen in Berührung.
  • Das Gerät verkalkt nicht.
  • Der Stab ist leichter als ein gefüllter Wasserkocher, was in puncto Handling für ältere und behinderte Menschen Vorteile bieten kann.
  • Die Vielseitigkeit des Heatle minimiert den Platzbedarf in kompakten Küchen und beim Campen.

Schwächen des Heatle:

  • Der induktive Tauchsieder sollte aus Sicherheitsgründen außerhalb der Reichweite von Kleinkindern betrieben und abgekühlt werden.
  • Es entstehen ggf. Mehrkosten für zusätzliche Heizscheiben in anderen Durchmessern.
  • Hoher Preis für das Basisgerät und das Zubehör.

Autor: Johannes Grotz, Inhaber des Test- und Vergleichsportals „Der Wasserkocher
Bilder: BrandBrandNew

Veröffentlicht am: 04.02.2022


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DANKE für dein Feedback!


 

2 Comments

  1. Eddy

    Danke für Deine ausführliche Rezension zu diesem durchaus interessanten Gadget: ich werde Deinen Beitrag sehr gerne weiterempfehlen.

    Beste Grüße
    Eddy

  2. Johannes

    Sehr gerne! Ich finde es spannend, dass man Tauchsieder in dieser Form neu denken kann. An dem Thema werde ich auf jeden Fall dran bleiben. Danke für’s Teilen!

Comments are closed.

Johannes

Johannes

Johannes Grotz | Fresher Ü50, der jahrelang von einem kleckernden Wasserkocher genervt wurde, ihn aber nicht einfach wegwerfen wollte. Enttäuscht von nichtssagender Werbung, verbraucherfernen Produkttests, Tralala-Produktpräsentationen und einer ausufernden Bestell-5-schick-4-zurück-Mentalität habe ich die Vision, dass authentische und praxisnahe Produktvergleiche auch online möglich sind. Und dass Qualität und Langlebigkeit neu entdeckt werden wollen.

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